Placebo – Nocebo

„Ich werde heilen" --- „Ich werde schaden“
4. November 2024 durch
Placebo – Nocebo
MARINOKO.ORG

Der Placebo-Effekt

Scheinmedikamente wie Zuckerpillen oder Kochsalzlösungen können Patienten helfen, obwohl sie keine aktiven Wirkstoffe enthalten. Dieses Phänomen wird als Placebo-Effekt bezeichnet. Wie genau Placebos wirken, ist weiterhin Gegenstand der Forschung.


Studien zeigen, dass Placebos wirken

Placebos sind in vielen Formen vorhanden, sei es als Tabletten, Spritzen oder sogar Operationen. Ihre Wirksamkeit wird durch zahlreiche Erfahrungsberichte und wissenschaftliche Studien belegt. So wurden beispielsweise bei der Behandlung von Parkinson Scheinmedikamente eingesetzt.

Die Ergebnisse waren bemerkenswert: Bei vielen Studienteilnehmern liess das typische Zittern der Parkinson-Krankheit nach, obwohl die verwendeten Medikamente keine aktiven Inhaltsstoffe enthielten. Auch Tests mit vermeintlich schmerzlindernden Salben und anderen Scheinpräparaten führten zu einer Verbesserung der Beschwerden.


Placebos durch Zufall entdeckt

Placebos sind seit der Antike bekannt. Der griechische Arzt Hippokrates verwendete Methoden, die eigentlich keinen therapeutischen Nutzen hatten, aber dennoch positive Effekte erzielten. Auch im Mittelalter setzten Heiler solche wirkungslosen Verfahren ein.


Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Placebo begann im Zweiten Weltkrieg, angestossen durch eine Beobachtung des Militärarztes Henry Beecher. Er bemerkte, wie eine Krankenschwester einem verwundeten Soldaten eine Kochsalzlösung verabreichte, da das Morphin knapp war. Überraschenderweise fühlte sich der Patient trotzdem besser. Diese Erfahrung motivierte Beecher, sich intensiver mit dem Placebo-Effekt zu befassen.

Henry Beecher ist auch der Urheber eines Studiendesigns, das bis heute in der Pharmaforschung verwendet wird: Neue Medikamente müssen in sogenannten Doppelblindstudien gegen Placebos getestet werden. Dabei wissen die Teilnehmer nicht, ob sie ein echtes Medikament oder ein Scheinmedikament erhalten. In einigen Fällen zeigen die Placebos sogar eine bessere Wirkung als die tatsächlichen Medikamente.


Grosse Zuckerpillen wirken besser als kleine

Der Placebo-Effekt ist so stark, dass er sogar bei einigen Patienten wirkt, die Scheinoperationen erhalten, die nur zum Schein durchgeführt werden. Während solche Scheinoperationen noch weitgehend unerforscht sind, haben Wissenschaftler bereits viel über Placebos in Pillenform herausgefunden.

Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Grösse der Tablette eine Rolle spielt: Viele kleine Tabletten oder eine grosse Tablette wirken in der Regel effektiver als eine normal grosse Pille.

Zusätzlich hat auch der vermeintliche Preis einen Einfluss auf die Wirkung: Je teurer die Mittel erscheinen, desto besser reagieren die Patienten darauf.


Placebos setzen körpereigene Prozesse in Gang

Wissenschaftler haben mittlerweile erkannt, dass der Placebo-Effekt keineswegs nur auf Einbildung basiert. Wenn Patienten von einem Schmerz-Placebo erwarten, dass es wirkt, werden im Körper schmerzlindernde Hormone freigesetzt, und dieser Mechanismus wird vom Gehirn gesteuert.

Die Wirksamkeit hängt entscheidend von den Rahmenbedingungen ab, unter denen das Scheinmedikament verabreicht wird. Beispielsweise wirken Placebos weniger effektiv, wenn sie wortlos gegeben werden, während sie deutlich besser wirken, wenn der Arzt aktiv auf den Patienten eingeht und ihm Mut zuspricht.

Ein enges Verhältnis zwischen Patient und Therapeut kann die Wirkung von Placebos zusätzlich verstärken. Trotz ihrer positiven Effekte sind Scheinmedikamente jedoch ethisch umstritten. Wenn Ärzte und Therapeuten ihren Patienten nicht mitteilen, dass sie Placebos verwenden, kann dies als Täuschung empfunden werden.

Eine mögliche Lösung für dieses Dilemma bieten sogenannte offene Placebos, bei denen die Patienten wissen, dass die Medikamente keinen Wirkstoff enthalten. Erstaunlicherweise zeigen Studien, dass auch offene Placebos wirksam sind.






Der Nocebo-Effekt

Der Nocebo-Effekt ist das negative Pendant zum Placebo-Effekt. Er bezieht sich auf unerwünschte Nebenwirkungen, die durch eine Scheinbehandlung entstehen, wenn diese nicht heilt, sondern Beschwerden verstärkt oder sogar neu auslöst.


Selbstmord durch ein Placebo?

Ein 26-jähriger Amerikaner leidet an schweren Depressionen, und als auch noch seine Freundin ihn verlässt, sieht er keinen Ausweg mehr. In einem verzweifelten Moment schluckt er 29 Kapseln, die er im Rahmen einer Antidepressiva Studie erhalten hat.

Kurz darauf beginnt er zu zittern, hat Atemnot und sein Blutdruck fällt dramatisch. Er bereut die Überdosis und lässt sich von einem Nachbarn ins Krankenhaus bringen.

„Helfen Sie mir, ich habe alle meine Pillen genommen“, sagt er, bevor er kollabiert. Nach einigen Stunden stellen die Ärzte fest, dass er zu der Gruppe gehört, die ein Placebo – ein Scheinmedikament ohne Wirkstoffe – erhalten hat. Als er dies erfährt, verschwinden seine Symptome innerhalb von 15 Minuten.

Ein harmloses Präparat mit schädlichen Nebenwirkungen; ein Placebo, das nicht heilt, sondern Beschwerden verstärkt und den Eindruck von Krankheit erweckt: Das ist der Nocebo-Effekt.


Nocebo – "Ich werde schaden"

Der Begriff Nocebo stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „Ich werde schaden“. Sein positives Gegenstück ist das Placebo, was „Ich werde heilen“ bedeutet. Beim Placebo-Effekt erhält eine kranke Person ein Scheinmedikament ohne Wirkstoffe, und dennoch verbessert sich ihr Zustand – oft, weil sie die Erwartung hat, dass die Behandlung wirkt.

Manchmal liegt es auch daran, dass Ärzte oder Pflegekräfte sich Zeit nehmen und die zusätzliche Aufmerksamkeit bereits Beschwerden lindern kann. Oder die Symptome wären ohnehin zu diesem Zeitpunkt von selbst abgeklungen, unabhängig von der Einnahme eines Medikaments.

Der Nocebo-Effekt wird daher oft als „Bruder des Placebo-Effekts“ oder als „dunkle Seite der Einbildungskraft“ bezeichnet.

Obwohl der Begriff Nocebo erst seit einigen Jahren gebräuchlich ist, ist das Phänomen schon lange bekannt, vor allem im anthropologischen Kontext, etwa im Voodoo-Glauben.

Berichten aus dem frühen 20. Jahrhundert zufolge glaubte jemand, er müsse sterben, nachdem eine andere Person mit einem Knochen auf ihn gezeigt hatte. Obwohl dieser „Todgeweihte“ gesund war – ohne Schmerzen, Fieber oder andere Symptome –, fühlte er sich dennoch schwach und elend.


Ängstliche Menschen sind stärker vom Nocebo-Effekt betroffen

Der Nocebo-Effekt beschreibt, dass etwas, das nicht wirklich vorhanden ist, krank machen kann. Ursprünglich bezog sich der Begriff auf Situationen, in denen Patienten aufgrund ihrer Erwartungen negative Symptome erleben. Heute wird er jedoch breiter gefasst: Auch wenn ein Patient ein Medikament einnimmt, das tatsächlich Wirkstoffe enthält, und sich die Symptome daraufhin verschlechtern oder unerwünschte Nebenwirkungen auftreten – gegen alle Erwartungen – kann das als Nocebo-Effekt gelten.

Es ist zwar normal, dass nicht jedes Medikament bei jedem Menschen gleich wirkt und unerwünschte Nebenwirkungen auftreten können. Doch wenn die pessimistische oder ängstliche Einstellung eines Patienten den Therapieerfolg negativ beeinflusst, spricht man vom Nocebo-Phänomen. In der Fachliteratur finden sich zahlreiche Anekdoten und statistische Daten zu diesem Thema.


Noch unklar: Wie das Nocebo-Phänomen genau entsteht

Experten erklären den Nocebo-Effekt unter anderem durch unbeabsichtigte negative Suggestion oder als selbsterfüllende Prophezeiung. Die genauen Vorgänge im Körper sind jedoch noch nicht vollständig verstanden.

Es gibt jedoch einige Erklärungsansätze. Eine Möglichkeit ist, dass ein Patient ein Medikament erhält und dabei negative Nebenwirkungen oder eine Verschlechterung seiner Symptome erwartet. Diese negativen Erwartungen können den Endorphinspiegel senken. Weniger von diesen sogenannten Glückshormonen im Blut kann tatsächlich dazu führen, dass sich der Patient schlechter fühlt und schmerzempfindlicher wird.

Darüber hinaus kann der Körper, wenn er negative Erwartungen hat, den Botenstoff Cholecystokinin ausschütten. Dieses Hormon wirkt im Gehirn als Neurotransmitter und könnte an der Entstehung von Angst- oder Panikgefühlen beteiligt sein.

Zusätzlich zeigen Studien mit Hirnscans, dass die schmerzverarbeitenden Regionen im Gehirn aktiviert werden – als ob das Gehirn Schmerz empfindet, obwohl keine Schmerzrezeptoren stimuliert wurden.


Nocebo-Studien wären ethisch fragwürdig

Die Forschung zum Nocebo-Effekt bei kranken Patienten gilt als ethisch bedenklich. Der deutsche Placebo- und Nocebo-Forscher Paul Enck erklärte: „Man kann einem Patienten nicht absichtlich seine Beschwerden verschlimmern, indem man sagt: «Dieses Medikament hilft Ihnen nicht, sondern verschlechtert Ihre Symptome.»

Insbesondere an neurowissenschaftlichen Studien mangelt es bisher. Hirnscans und ähnliche Verfahren könnten jedoch dazu beitragen, den Nocebo-Effekt besser zu verstehen.

Umgekehrt könnte der Nocebo-Effekt auch Neurowissenschaftlern bei anderen Forschungsfragen von Nutzen sein. Er stellt einen Stressfaktor dar und ist somit gut geeignet, um beispielsweise die Neurobiologie von Angst näher zu untersuchen.


Was tun beim Nocebo-Effekt?

Das Kompetenznetzwerk Placebo, zu dem auch Paul Enck gehört, fordert, Nocebo-Effekte zu vermeiden. Dazu ist es wichtig, dass medizinisches Personal ein grösseres Bewusstsein für den Nocebo-Effekt entwickelt – sowohl in Praxen als auch in Krankenhäusern, Apotheken und Naturheilkundezentren.

Aussagen wie „Wir schläfern Sie ein; gleich ist es vorbei“ können zwar humorvoll gemeint sein, werden jedoch oft missverstanden – besonders von ängstlichen Patienten oder in Extremsituationen, wie kurz vor einer Operation.

Um den Nocebo-Effekt zu minimieren, sollte die Kommunikation zwischen Arzt und Patient mit Bedacht erfolgen. Anstatt zu sagen: „Fünf Prozent der Patienten vertragen dieses Medikament nicht“, wäre es besser zu formulieren: „95 Prozent der Patienten vertragen dieses Medikament sehr gut.“



Ethisches Dilemma der Ärzte

Wenn Patienten über unerwünschte Nebenwirkungen berichten, sollten sowohl der Patient als auch der Arzt sich die Frage stellen: Sind diese Beschwerden ein Symptom der bestehenden Krankheit? Könnten sie auf eine andere, möglicherweise noch nicht diagnostizierte Erkrankung hindeuten? Handelt es sich um eine tatsächliche Nebenwirkung des Medikaments, oder sind es zufällige Befindlichkeitsstörungen, verursacht durch andere Belastungen? Oder könnte es tatsächlich ein Nocebo-Phänomen sein?

Falls die Beschwerden auf den Nocebo-Effekt zurückzuführen sind, hat der Arzt mehrere Möglichkeiten zu reagieren: Er kann erklären, wie die Vorteile des Medikaments die Nachteile überwiegen. Alternativ könnte er ein anderes Medikament mit dem gleichen Wirkstoff verschreiben oder die Behandlung ganz absetzen.

In einigen Fällen kann es sinnvoll sein, angstlösende Medikamente zu verordnen, um die Furcht vor dem notwendigen Medikament oder dessen möglichen Nebenwirkungen zu mindern.

Ärzte stehen in einem Dilemma: Einerseits sind sie gesetzlich verpflichtet, ihre Patienten über alle Eventualitäten von Behandlungen und Medikamenten aufzuklären. Andererseits müssen sie dem antiken Grundsatz „primum non nocere“ folgen, was bedeutet, dass sie in erster Linie nicht schaden sollen.

Diese beiden Prinzipien können in Konflikt geraten, da eine umfassende Aufklärung dazu führen kann, dass Patienten häufiger unerwünschte Nebenwirkungen erleben oder ihre Symptome sich verschlimmern.



Die Kraft der Gedanken

Was wir denken, hat einen grösseren Einfluss auf unser Leben, als uns oft bewusst ist. Positive Gedanken können beispielsweise beim Abnehmen unterstützen. Ältere Menschen zeigen sichtbare Anzeichen von Verjüngung, wenn sie in Umgebungen ihrer Jugend gebracht werden. Schmerzpatienten profitieren von Scheinmedikamenten, wenn sie fest daran glauben, dass diese wirken.

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